Sonntag, 21. Oktober 2012

Fanatismus oder Diskriminierung?

In der vergangenen Woche berichtete Spiegel-Online über ein womöglich wegweisendes Urteil des Berliner Arbeitsgerichts im Kopftuchstreit. Ein Berliner Zahnarzt wurde zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 1470 Euro verurteilt, weil er einer muslimischen Bewerberin einen Job als Zahnarzthelferin nur unter der Prämisse anbot, dass diese ihr Kopftuch nicht bei der Arbeit trage. Obwohl das Urteil von März datiert, wurde es erst jetzt bekannt. 

Warum wird so ein Urteil erst ein halbes Jahr später publik? Der Fall ist zweifellos von großem öffentlichen Interesse, da das Urteil weitreichende Konsequenzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat. Es ist das erste Urteil, das sich explizit auf die Privatwirtschaft bezieht. Alle bisher erfolgten Richtersprüche bezogen sich lediglich auf das Tragen von Kopftüchern im öffentlichen Dienst.

Warum also wird ein so wichtiges Urteil der Öffentlichkeit verschwiegen? Fürchtete das Gericht womöglich eine neue öffentliche Debatte? Wäre es nicht verpflichtend, die Bevölkerung über solch bedeutungsvolle Gerichtsurteile zu informieren? Von wegen „im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil“. Solche Urteile sind sicher nicht im Sinne des Volkes. Sie werden von Leuten gefällt, die sich stets auf die Seite der vermeintlich Schwachen und Unterdrückten schlagen und dabei jeglichen Sinn für die Realität verloren haben. Oftmals ist es aber auch die schiere Angst, die Richter dazu bewegt, im Sinne einer gewissen Minderheit zu entscheiden.

Doch werfen wir zunächst einen Blick auf das oben erwähnte Urteil. Es geht um das Tragen eines Kopftuches bei der Arbeit. Im Grunde lässt sich das Kopftuch auf zwei Weisen betrachten. Entweder es ist ein gewöhnliches Kleidungsstück ohne tiefere Bedeutung, oder es ist ein religiöses, mitunter auch politisches Symbol. In vielen beruflichen Umfeldern ist das Tragen gewisser Kleidung schlicht unangebracht. Dazu gehören in den meisten Fällen z.B. kurze Hosen, bauchfreie Tops, aber auch jegliche Kopfbedeckungen. Meines Wissens hat sich noch niemand angeschickt, gegen diese Vorschriften Klage zu erheben.

Handelt es sich jedoch um religiöse Kleidung bzw. ist das Tragen des Kopftuches eine religiöse Praktik, so wiegt der Fall anders. Als erstes dürfte sich hier doch die Frage stellen, was überhaupt unter religiöser Kleidung verstanden wird. Wenn das Kopftuch unter den Schutz der Religionsausübung fällt, müsste dies doch eigentlich auch für die Mönchskutte, ja sogar für die Burka gelten. Ist das Tragen einer Burka auf der Arbeit erlaubt? Wie kann und darf da rechtlich unterschieden werden? Ist es möglich das Tragen der einen religiösen Kleidung zu erlauben, während das einer anderen aber verboten wird?

Aufgrund der gesetzlich garantierten Religionsfreiheit, darf ich mich nicht nur frei für eine Religion entscheiden, es steht mir sogar frei, eine neue Kirche zu gründen. Anhänger des Pastafarianismus (Religions-Persiflage) betrachten das Tragen eines Nudelsiebs auf dem Kopf z.B. auch als Ausübung ihrer Religion. Es dürfte aber zumindest fraglich sein, ob das Berliner Arbeitsgericht auch dann im Sinne der Klägerin entschieden hätten, wenn diese um ihr Recht auf das Tragen eines Nudelsiebs bei der Arbeit gekämpft hätte.

Halten wir also fest: Rechtlich gesehen ist es unzulässig, zwischen Religionen zu unterscheiden. In der Konsequenz müsste Arbeitnehmern das Tragen jeglicher religiöser Kleidung und Symbole bei der Arbeit erlaubt werden. Einschließlich der verrücktesten und absurdesten überhaupt vorstellbaren Kleidung. Wo soll das enden?

Betrachten wir nun mal die Sicht des Arbeitgebers. Kein Unternehmen kann es sich leisten, die Wünsche, Vorstellungen und Erwartungen der Kunden zu ignorieren. Das betrifft selbstverständlich auch die Außendarstellung und insbesondere bei direktem Kundenkotakt auch das Auftreten und das äußere Erscheinungsbild der Repräsentanten. Man stelle sich nur mal vor, eine ungepflegte, womöglich sogar noch stinkende Person mit zahlreichen Gesichtspiercings, -Tattoos, grünen Haaren und schwarzen bis nicht vorhandenen Zähnen bewirbt sich als Hotelfachfrau/-mann und wird prompt wieder nach Hause geschickt.

Ist das auch Diskriminierung? Schließlich hatte diese reizende Person ja gar keine Chance sich zu beweisen und wurde schlicht aufgrund von Äußerlichkeiten abgelehnt. Was unterscheidet diese Person von der Kopftuchträgerin? Sind doch schließlich beides Menschen! – Der einzige Unterschied ist, dass die eine Person ihre Religion offen zur Schau stellt, während sie bei der anderen unerkennbar oder nicht vorhanden ist. Warum wird der Religion in einem säkularen Staat eine solche Sonderstellung eingeräumt? Warum kann und darf es Unterschiede bei der Diskriminierung aus religiösen und nicht religiösen Gründen geben?

Eines ist doch ganz klar: Potentiell setzt sich ein Arbeitgeber bei der Auswahl seiner Angestellten stets dem Verdacht der Diskriminierung aus. In vielen Fällen wird es mehrere Bewerber unterschiedlicher Geschlechter, Hautfarben, Religionen, Haar-, Augenfarben usw. geben. Soll nun jeder, der abgelehnt wurde aufgrund eines Alleinstellungsmerkmals Klage erheben können? Wo soll das enden?

Darüber hinaus muss die Frage gestattet sein, warum das Recht der Frau auf die Religionsausübung am Arbeitsplatz höher eingeschätzt wird, als das Recht des Zahnarztes, im Interesse seiner eigenen Praxis über die Arbeitskleidung seiner Angestellten zu entscheiden. Im Prinzip ist eine Arztpraxis auch nur ein Dienstleistungsbetrieb und steht folglich in Konkurrenz zu Mitbewerbern. Sollten Patienten Anstoß an besagtem Kopftuch nehmen, geht das zu Lasten der Praxis.

Sofern das Recht auf die Religionsausübung am Arbeitsplatz schützenswert, ja sogar von größerer Bedeutung als die Arbeit selbst ist, so stellt sich auch hier wieder die Frage, wo das enden soll. Wäre es auch noch vertretbar im Büro oder sonst wo stündlich einen Teppich auszurollen und zu beten? Ist das noch Bestandteil des Rechts auf freie Religionsausübung? Falls nicht, warum nicht?

Könnte es womöglich sein, dass sich Arbeitskollegen und Kunden durch die Religionsausübung am Arbeitsplatz gestört, provoziert oder gar verletzt fühlen? Ja, das kann sogar sehr gut sein. Das Kopftuch ist zweifellos ein Symbol einer fundamentalistischen, mitunter sogar fanatischen Auslegung der Religion. Es ist einer freiheitlichen, aufgeklärten und säkularen Gesellschaft diametral entgegengesetzt. Das Tragen kann also durchaus als politisches Statement und als Angriff auf diese Gesellschaft und ihr Wertesystem ausgelegt werden.

Allein die Tatsache, dass die Frau nicht einmal für einen Job bereit ist, das Kopftuch nur während dieser Tätigkeit abzulegen, zeugt doch von religiösem Fanatismus. Niemand wollte hier Einfluss auf ihr Privatleben, ihre Überzeugungen oder ihre Religion nehmen. Es ging lediglich um das Auftreten bei der Arbeit. In dieser Kultur, in unserer aufgeklärten Gesellschaft, ist das Tragen eines Kopftuchs bei der Arbeit schlicht unangebracht. Wem das Tragen eines Kopftuches wichtiger ist, als der Job selbst, respektiert die Werte und Normen dieser Gesellschaft nicht und ist nicht Willens, sich zu integrieren. Ein solcher Mensch zieht sich in eine Parallelgesellschaft zurück.

Einer religiösen Fanatikerin Schadensersatz zuzusprechen, weil sie nicht bereit ist, sich anzupassen und zu integrieren, ist ein Skandal! Religion ist Privatsache! Sie hat am Arbeitsplatz nichts verloren. Und das ist auch gut so. Die Urteilsbegründung öffnet dem Wahnsinn Tür und Tor. Wie ausführlich erläutert, lässt sich nahezu jeglicher Wahnsinn unter dem Deckmantel der Religion rechtfertigen. Kinder werden verstümmelt, Tiere auf bestialische Weise geschächtet, Hass und Intoleranz geschürt... Wo soll das alles enden?

Es ist Aufgabe des Staates, die Bürger vor diesem Wahnsinn zu schützen. Gesetze, wie auch Religionen sind dazu da, den Menschen zu dienen. Nicht umgekehrt!

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